Neue Z�rcher Zeitung, 19.11.2003, Nr. 269, S. 52:
Z�rcher Kultur
ras Stadler R.
Piraten der helvetischen L�fte
Der Film "Jolly Roger" von Beat Hirt
ras. Ende der siebziger Jahre sahen (fast) alle ein bisschen wie Piraten aus: Man trug dicke Schn�uze und halblange Kopfhaare, deren Schnitt eher in der Tradition englischer als franz�sischer Gartenpflege stand. Der Dokumentarfilm "Jolly Roger" von Beat Hirt handelt von diesen Zeiten, vor allem aber von jenen Piraten, die damals die staatliche Lufthoheit mit illegalen Radiot�nen destabilisierten. Davon gab es damals etliche, doch in Erinnerung geblieben ist bloss einer: Roger Schawinski. Im November 1979 begann er, vom italienischen Pizzo Groppera aus die Schweiz und insbesondere Z�rich mit Pop- und Rockmusik einzudecken - mit dem damals st�rksten UKW-Sender der Welt, wie er im Film sagt. Es folgte ein vier Jahre dauerndes Katz-und-Maus-Spiel mit Justiz und Polizei, bis vor zwanzig Jahren Privatradios offiziell vom Staat zugelassen wurden.
Beat Hirt schildert diese kleine Revolution im �ther, die das absehbare Ende des SRG-Monopols beschleunigte und erhebliche Langzeitwirkung in publizistischer Hinsicht hatte, anhand von reichlichem Filmmaterial aus dieser Zeit. Er beschaffte dieses bei privaten Filmern und in den Archiven der SRG. Der Zustand des Materials der privaten Kameraleute war offenbar teilweise miserabel; aufwendige Restaurationsarbeiten waren n�tig, schreibt Hirt im Begleittext zu seinem Film. Er sei aber weder von SF DRS noch vom Bundesamt f�r Kultur finanziell unterst�tzt worden. Auch Schawinski verhielt sich laut Hirt lange reserviert.
Hirt, ehemals Chefredaktor von "Tele" und Mitarbeiter von DRS"3 und heute Inhaber einer Produktionsfirma, realisierte einen soliden, gestalterisch nicht auffallenden Film, der die damaligen und heute immer noch aktiven, sichtlich �lter gewordenen Protagonisten und Antagonisten in Szene setzt: Neben dem talentvoll agitierenden Hauptdarsteller Schawinski sind dies unter anderen Armin Walpen, Frank Baumann, Markus Gilli, R�bi Koller, Hans-Heinrich Coninx und Christian Heeb. R�ckblickende Gespr�che etwa mit dem damaligen Medienminister Leon Schlumpf erg�nzen das historische Material. Nicht zu sehen ist allerdings Hans Kopp, der damals im Auftrag des Bundes eine Mediengesamtkonzeption entwarf.
Hirts Film - dessen Titel auf die klassische Piratenfahne anspielt - hat durchaus Unterhaltungswert. Die damaligen
K(r)�mpfe um die Liberalisierung der elektronischen Medien wirken aus heutiger Sicht eher kurios, und entsprechend entdeckt man in den pr�sentierten Archivaufnahmen etliche Situationskomik. Anschaulich wird zudem, wie zeitbedingt audiovisuelle Pr�sentationsweisen sind. Was damals artige Praxis war, wirkt heute teils absurd, teils l�cherlich. Der Zeitgeist ist ein sich schnell wandelndes Wesen. Auch das macht der Film deutlich. Kinostart: 20."November.